Elf junge Frauen aus Mumbai nehmen an einem Schüleraustausch mit der TKS Grünberg teil. Dem Blick übern kulturellen Tellerrand folgte jetzt ein Abend mit indischen Leckereien.

Gießener Allgemeine Zeitung vom 25.05.2017

Mal was anderes als Burger oder Schnitzel: Der Duft der indischen Küche durchweht an diesem Abend die Mensa der Theo-Koch-Schule Grünberg. Elf jungen Frauen aus Mumbai ist dies zu verdanken. Den Nachmittag über haben sie typische Speisen ihrer Heimat zubereitet, jetzt wartet eine riesige Tafel, warten neue Geschmackserlebnisse auf rund 50 deutsche Gaumen.
Das Essen, zu dem auch die Gasteltern geladen sind, ist Teil des Schüleraustauschs zwischen der TKS und zwei Colleges in Mumbai. Organisiert hat die Begegnung Manfred Knoll vom Rotary Club Nidda, auf indischer Seite vom RC Mid Town Bombay.
Knoll hat 17 Jahre in Indien gearbeitet und dort gelebt. Schon bald nach seiner Rückkehr nach Hungen engagierte er sich dort für diesen außergewöhnlichen Schüleraustausch. Dass jetzt »Grünberg« im Boot ist, hat seinen Grund: Weder in Nidda, Hungen, noch in Laubach stieß er auf die gebotene Resonanz. Anders an der TKS, wo er mit Klaus Steuger einen »begeisterungsfähigen Partner« fand. Und ebenso die Rückendeckung durch Schulleiter Jörg Keller. Knoll: »Ohne das geht’s nicht«:
Warum aber dieses Engagement? Knoll verweist zunächst auf das Motto seiner Rotary-Präsidentschaft in Nidda im Jahr 2010/2011: »Jugend ist Zukunft«. Gestützt hatte er dies nicht zuletzt auf seine Erfahrungen als Beschäftigter eines deutschen Pharmaunternehmens auf dem Subkontinent: Aus sämtlichen seiner Praktikanten, ehrgeizig, lernbereit, sei etwas geworden. Im Ruhestand entschloss er sich dann, etwas für Jugend in seiner Heimat zu tun, sie rauszubringen aus unserer »unendlichen Komfortzone. Bei den üblichen Austauschzielen wie England, USA oder Frankreich sei dies nicht gegeben.
»Indien«, so formuliert es Knoll, »ist dagegen eine Schockkultur«. Auch weil dort totale Armut auf totalen Reichtum treffe. Ebenso das Kennenlernen der fremden Kultur und Religion, der auch in diesem asiatischen Land noch viel stärker ausgeprägte Respekt vor den Alten, seien wertvolle Erfahrungen. Nicht minder das in Indien hohe Maß an Disziplin, auch im Berufsleben. »Dort heißt es ganz klar: ›Kannste was, biste was‹.« Für Knoll alles Punkte, die wichtig sind für die Entwicklung der jungen Persönlichkeit, für die Stärkung des Selbstbewusstseins.
Bei den indischen Gästen übrigens handelt es sich ausschließlich um junge Frauen zwischen 16 bis 20 Jahren (»Jungs sind in dem Alter etwas zurückhaltend«, Knoll), alle sind in Familien der Korrespondenten untergebracht. In den drei Wochen ihres Aufenthalts besuchen sie die TKS, unternehmen Ausflüge, auch in einen Freizeitpark. Firmenbesichtigungen hat Knoll ebenfalls organisiert.
»I think, you all will love it«, zeigt sich am Dienstagabend Tulsi Patil sicher, als sie gemeinsam mit den anderen Inderinnen die auf einer langen Tafel aufgereihten Speisen erläutert. Dhoka, Thepla, Kheer heißen die. Oder »Chicken Tikka«: Hühnchen, mariniert mit einer Sauce aus Joghurt, Ingwer, Knoblauch, Sternanis – und Chili-Pulver.
Wie Tulsi Patil verrät, hat ihr der Deutschlandbesuch – trotz aller Vorbereitungen – doch einige Überraschungen beschert: Etwa, dass man Wasser mit Kohlensäure trinkt. Auch das im Vergleich zu Indien absolut lockere Schüler-Lehrer-Verhältnis. Dass manche Marken-Textilien in ihrer Heimat teurer seien als hier, obgleich sie »um die Ecke« produziert werden, verwunderte sie etwas. Aber noch viel mehr dies: »It’s so quiet here«. Gut, auch die Größe Mumbais mit seinen 25 Millionen Einwohnern dürfte da eine Rolle spielen.
Am 3. Juni fährt auch Tulsi Patil wieder nach Hause, heißt es Abschied nehmen – bis zum Gegenbesuch der Grünberger im Oktober. Ob sie dann typisch deutsche Gerichte auftischen? Frankfurter Grüne Soße oder gar Eisbein mit Sauerkraut? (tb/Foto: tb)