Gießener Allgemeine Zeitung vom 24.11.2017

Anfang der 1970er schaute sich eine von MdB Adolf Roth (CDU) angeführte Delegation an Grünbergs Integrierter Gesamtschule um, die damals gerade mal dem Säuglingsalter entwachsen war. Wenig später stand in der Lokalzeitung zu lesen: »Grünberg droht eine Schulkatastrophe«. Die aber blieb aus, die Theo-Koch-Schule ist heute allseits anerkannt.

Die ideologisch aufgeladene Anfangszeit war ein Schwerpunktthema des Festakts, mit dem die Schule soeben »50 Jahre TKS am Standort Struppiusstraße« feierte. Das Rahmenprogramm gestalteten die Kinder, darunter der von Hermann Wilhelmi geleitete Chor (Foto).

Im Schuljahr 1966/67 hatte die am Waldrand neu gebaute Mittelpunktschule (MPS) ihre Arbeit aufgenommen, hatte der Prozess der Zusammenführung mit dem Gymnasium begonnen. Das trug den Namen Theo Kochs und blickte auf eine immerhin 90-jährige Tradition als weiterführende Schule zurück.

Abbau der »Milieusperre« erhofft

Am Ende des Prozesses stand die Integrierte Gesamtschule (IGS). Damals ein absolutes Reizwort. Der »Schulkampf« reichte von der großen Politik bis in die Kollegien, Elternbeiräte, Kommunalparlamente: Hier die Befürworter, die den »Abbau der Milieusperre als Bildungsbarriere« erhofften, auf die möglichst späte Einstufung der Kinder in eine Schulform setzen. Da die Gegner der »Einheitsschule«, die Anhänger des dreigliedrigen Schulsystems, die eine leistungsgerechte Förderung gefährdet sahen.

Zur »50-Jahr-Feier« hielt Studiendirektor i. R. Peter Blöing den Festvortrag, fokussierte sich auf die »Ära Maushagen«. 1968 war der als Englisch- und Deutschlehrer ans Gymnasium gekommen, wurde 1971 Direktor der neuen TKS – und blieb es bis zu seinem frühen Tod 1997. Blöing, von 1986 bis 2011 Lehrer an der Schule, hat deren »Entwicklungsphase« rekonstruiert. Stichworte waren hier die Einführung des Kurssystems an der MPS und die Förderstufe. Oder der Lehreraustausch, mit dem die ersten zarten Bande der so unterschiedlichen Partner geknüpft wurden. Zwecks besseren Kennenlernens schlug TKS-Direktor Hoffmann damals einen gemeinsamen Sportnachmittag vor …

Blöing schildert nun (ausführlicher nachzulesen in der Jubiläumsfestschrift) den damals geführten, aufs Neue ideologisch aufgeladenen Streit: Soll die Gesamtschule eine additive oder integrierte sein? Der Zwist erfasst die Politik, die Kollegien (GEW versus Philologenverband), die Erziehungsberechtigten: Im Frühjahr 1970, wenige Wochen vor der »Fusion«, fordern die Elternbeiräte beider Schulen die integrierte Variante. Freilich auch aus Sorge ums Fortbestehen der Oberstufe inGrünberg, präferierte doch Wiesbaden die »Integration«.

Für die additive Variante sind zu dieser Zeit jedoch die Lehrer am Gymnasium, während die Kollegen an der MPS binnen drei Tagen von der additiven zur integrierten Variante wechseln. Am Ende aber gibt die Gesamtkonferenz der alten TKS nach; laut Protokoll aus »psychologisch-taktischen« Erwägungen, »um das Gewicht des Gymnasiums zu erhalten«.

Am 8. Juli der Schlussstrich, folgt doch der Kreistag mit seinem Beschluss der Landesregierung. Fazit: Mit Beginn des Schuljahres 70/71 ist die Zusammenführung vollzogen, ist »Grünberg« eine von sechs Integrierten Gesamtschulen mit gymnasialer Oberstufe in Hessen.

Ära das Reformers Maushagen

Streit um die Rahmenrichtlinien, Raumnot, Lehrermangel, Forderungen der Eltern einer siebten Klasse nach Stopp der Integrierung, Zuspitzung der (partei-)politischen Konflikte prägen die ersten Jahre, münden bereits 1971 in der Ablösung des Schulleiters Hoffmann. An seine Stelle tritt Robert Maushagen. Mit dem Gymnasiallehrer und GEW-Mitglied, so Blöing, übernahm ein »Brückenbauer« die Leitung, der seinen Ruf als Reformer auch als Lehrer in der Förderstufe an der MPS unter Beweis gestellt habe. Mit dem 38-Jährigen »begann eine intensive, nach außen ruhige Aufbauarbeit«. Wobei er stets auf das Leitungsteam – Stellvertreter Adolf Staiger, Pädagogischer Leiter Erhard Schepp, Stufenleiterin 7-10 Erika König und Förderstufenleiter Robert Erdmann – habe setzen können.

Maushagen, so die abschließende Würdigung des Festredners, habe die Theo-Koch-Schule zu einer allseits geschätzten Institution gemacht. Diesen Erfolg habe der nicht zuletzt mit dem großen Engagement seines Kollegiums erklärt, das »unideologisch, trotz der ständigen Querschüsse der Parteipolitiker« seinen Weg gegangen sei. (tb/Fotos: tb)