Gießener Anzeiger vom 04.02.2019, S. 31

Robin Roth (l.) und Marie-Christine Kreuder hatten in der TKS Aula Marcel Fratzscher zu Gast. Foto: Zylla

Thorsten Schäfer-Gümbel lädt zur Diskussionsreihe „Die fünf Megatrends unserer Zeit“ mit Experten aus verschiedenen Bereichen

GRÜNBERG (zy). Bereits Ende Januar folgte Bundesumweltministerin Svenja Schulze dem Ruf von Thorsten Schäfer-Gümbel und der hessischen SPD und sprach mit Bürgern sowie Schülern des Laubach-Kollegs über „Klimapolitik, Umwelt? und Klimaschutz“. Am vergangenen Donnerstag war es hingegen Professor Marcel Fratzscher, der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin, der in Grünberg an der Theo-Koch-Schule (TKS) mit dem Thema der „Steigenden Ungleichheit in Deutschland“ auf Probleme in unserer Gesellschaft hinweisen wollte. „Megatrends unserer Zeit“, wie es Schäfer-Gümbel bezeichnet. Die TKS-Schüler Marie-Christine Kreuder (17) und Robin Roth (18) moderierten den Abend in der modernen Aula ihrer Schule.

Umverteilung

Generell sei Marcel Fratzscher beim Thema Chancengleichheit eher für eine „Vergrößerung des Kuchens“, damit alle mehr bekommen. Das schließe alle ein, auch die Großverdiener, wobei diese schon höher besteuert werden sollten. Eine Umverteilung hält der Professor für Makroökonomie und Finanzen für falsch. Das Moderations-Duo weiß aus eigener Erfahrung, dass Ungleichheit bereits im Klassenzimmer anfängt und wollte von Fratzscher wissen, was man dagegen unternehmen kann. Um hier Chancengleichheit zu gewährleisten, sei die frühkindliche Bildung ein wichtiger Schlüssel, glaubt der DIW-Präsident. Politik müsse erreichen, dass jeder unabhängig von Geschlecht, Herkunft und Finanzen Zugang dazu hat. Immerhin gäbe es keine Studiengebühren mehr, warum also noch Gebühren für Kita-Plätze? „Wir brauchen außerdem mehr Ganztagsschulen, damit beide Elternteile die Möglichkeit bekommen, arbeiten gehen zu können.“ In Zeiten, wo der Mittelstand immer mehr Menschen nach oben, aber vor allem nach unten verliere, so Fratzscher, sei es wichtig, den Mittelstand zu stärken. Marie-Christine Kreuder wollte wissen, wie der Mittelstand heute aussieht. Der würde bei 70 Prozent des Medianeinkommens anfangen, definiert Fratzscher.

Jedoch sei der große Niedriglohnsektor ein großes Problem geworden. „Mir macht Sorgen, dass viele Menschen im Niedriglohnsektor hängen bleiben“, gab der Wirtschaftsexperte zu. Daher lag die Frage von Robin Roth nahe: „Wie kann man Geringverdienern helfen?“ Den Lösungsansatz eines „Bedingungslosen Grundeinkommens“ schließt Fratzscher aus. „Ich halte davon überhaupt nichts.“ Menschen fehle dann der Zwang arbeiten gehen zu müssen, glaubt er. Der Mindestlohn sei hingegen schon ein wichtiger Schritt gewesen, trotz der Befürchtung vieler Ökonomen, Menschen würden so ihren Job verlieren. „Die 8,50 Euro wurden eingeführt und was ist passiert? Nichts. Die Beschäftigung ist nicht runter gegangen“, so der Ökonom. Wichtiger sei aber für Geringverdiener eine Lobby, also eine Interessensvertretung. Es könne auch nicht sein, dass harte Arbeit, wie etwa die von Pflegepersonal, nicht angemessen honoriert werde oder Frauen noch immer weniger Geld als Männer für die gleiche Arbeit erhalten.

Objektiv genug?

Applaus gab es im Anschluss, als ein Schüler wissen wollte, ob Fratzscher es für richtig hält, dass Politiker, also Spitzenverdiener, darüber entscheiden sollten, ob Spitzenverdiener mehr Steuern zahlen sollten. „Glauben Sie, dass Politiker da objektiv genug sind?“. Diplomatisch antwortete Fratzscher: „Ich sage das jetzt nicht, weil Herr Schäfer-Gümbel anwesend ist“, unterstrich er. „Ich glaube nicht, dass Politiker immer ein Eigeninteresse haben. Sie wollen zwar gewählt werden, aber möchten das Interesse ihre Wählergruppe bedienen.“

Lange war es noch unklar, doch Thorsten Schäfer-Gümbel konnte es nun in Grünberg bestätigen: Bei der fünften Diskussionsrunde am 18. März, diesmal zum Thema „Globalisierung“, soll als Gast kein Geringerer als Bundesaußenminister Heiko Maas anwesend sein. Dann auch wieder in der Aula der TKS. Den dritten „Megatrend unserer Zeit“ wird am 18. Februar hingegen Lena-Sophie Müller in Lollar in der Aula der Clemens-Brentano-Europaschule präsentieren. Um 19 Uhr wird die Geschäftsführerin der Initiative „D21“, eine Partnerschaft von Wirtschaft und Politik in Sachen „digitale Gesellschaft“, über die „Digitalisierung und deren Auswirkungen“ sprechen.