Gießener Anzeiger vom 17.03.2023, S. 31

Ein Siebtklässler zeigt Tarek Al-Wazir, wie die Winkel für den Pfosten zum Aufstellen des Windrads mit der Säge zugeschnitten werden sollen. Im Elektronik-Labor sind derweil Schüler eifrig dabei, Schaltplatinen anzufertigen.
Fotos: Docter

Energieminister Tarek Al-Wazir lobt Theo-Koch-Schüler bei Besuch in Grünberg

VON FRANK-O. DOCTER

Grünberg. Anfangs stand eine Idee und gab es nur unbearbeitete lange Holzlatten, meterweise Kupferdraht und viele andere Einzelteile aus Metall oder Holz. Binnen einer Woche haben Schüler verschiedener Klassen der Grünberger Theo-Koch-Schule (TKS) daraus ein Windrad mit mehreren Metern Durchmesser samt dazugehöriger Technik gefertigt. Mit dieser Windkraftanlage heimsten sie vergangenes Jahr den mit 5000 Euro dotierten Hessischen Staatspreis Energie ein. Am Donnerstag war Wirtschafts- und Energieminister Tarek Al-Wazir auf seiner aktuellen Energiespartour nach Grünberg gekommen, um sich das Ganze einmal mit eigenen Augen anzuschauen.

MINT-Fächer

»Total super« lautete das spontane Urteil des Gastes aus Wiesbaden, nachdem er zusammen mit Schulleiter Jörg Keller und anderen Beteiligten die erste Station des Rundgangs, die Werkstatt, betreten hatte. Neugierig betrachtete Al-Wazir das Windrad, das auf dem Schulgelände aufgestellt werden soll, um Strom vor allem für E-Bikes zu liefern. Und womöglich auch für das eine oder andere Handy von Schülern und Lehrern.

»Wir haben bei Null angefangen«, blickte Projektleiter Dr. Sven Kammer zurück. »Per Hand« wurden unter anderem die Holzlatten in die richtige Flügelform geschnitzt und dann lackiert sowie die Spulen mit Kupferdrähten versehen. Für die übrigen Dinge nutzte man in der Werkstatt Bohrmaschinen und andere Geräte. Die Schüler für das Projekt seien im Übrigen »schnell gefunden« worden, erinnerte sich Keller. »Denn die MINT-Fächer stehen bei uns hoch im Kurs.«

Viele der beteiligten Schüler sind längst nicht mehr an der TKS, so auch Leon Angermann. »Es hat uns allen viel Spaß gemacht«, erzählte der junge Mann, der mittlerweile Elektrotechnik studiert.

Die Metallteile des Windrads wurden bei der Firma Weiss Technik in Reiskirchen-Lindenstruth angefertigt, die Kooperationspartner der Schule ist. Mitbeteiligt an der Finanzierung war ebenso der Landkreis Gießen. Laut dessen Schuldezernent Christopher Lipp sei es dort immer das Ziel, »solche innovativen Projekte« zu fördern.

Die nächste Station des Rundgangs war das Elektronik-Labor, das nach seinem Spender, dem in Grünberg ansässigen Unternehmen Bender, benannt ist. Nach der Begrüßung durch Lehrerin Synthia Jochim schilderte Ex-Schüler Marvin Reitz seinen Werdegang, der ihn nach dem Abschluss über die Lehre bei ebenjener Firma bis hin zum Elektrotechnik-Studium bei »StudiumPlus« in Wetzlar führte, wo die dualen Studiengänge der Technischen Hochschule Mittelhessen (THM) beheimatet sind.

Dass Reitz auch noch sein Schulpraktikum bei Bender gemacht hatte, wertete Al-Wazir als perfektes Beispiel dafür, zu was die Kooperationen von Schulen mit Unternehmen führen können. Schließlich gebe es in Hessen derzeit »mehr Ausbildungsplätze als Bewerber«. Und gerade in den Berufen rund um Energie-Themen fehle es an Nachwuchs bei den Fachkräften. »Nur mit Diplom-Politologen wie mir kommt man im Heizungskeller nicht weiter«, fügte er mit einem Augenzwinkern hinzu.

Dann machte der stellvertretende Ministerpräsident noch ein Geständnis, das die Schüler so wohl nicht von ihm erwartet hatten: »Ich bin einmal sitzengeblieben«, erzählte der 52-Jährige. Da ihn als Schüler vor allem die geisteswissenschaftlichen Fächer und weniger Physik & Co. interessiert hätten, habe er sich zudem bei der Übernahme des Energieressorts vor acht Jahren das Wissen hierzu »erst wieder draufschaffen müssen«.

Forschungsprojekte

Danach präsentierten Schüler verschiedener Oberstufen-Klassen und -Kurse dem Gast die Ergebnisse ihrer Forschungsprojekte, die ebenfalls allesamt unter der Überschrift Energiewende stehen. Neben Physik oder Chemie gehört dazu an der TKS auch das Fach Wirtschaftswissenschaften, das nur an etwa einem Dutzend Schulen in ganz Hessen angeboten wird, wie von Lehrer Peter Molzberger zu erfahren war. Aufgabe der Schüler dieses Kurses ist es, jedes Jahr zusammen ein marktreifes Produkt zu entwickeln. Dieses Mal ist das ein Hartseifenspender, der »einen sparsameren Verbrauch ermöglicht und somit besser für die Umwelt ist«, erklärten die jungen Entwickler und hatten den Grünen-Politiker sofort mit ihrer Idee überzeugt.

Ebenso interessiert hörte er zu, als von den Oberstufenschülern weitere Projekte wie eine selbst gebaute Batterie oder eigenentwickelte Vorrichtungen zur Energiespeicherung gezeigt wurden. Hierbei wusste der Minister zu berichten, dass vergangenes Jahr bereits 46 Prozent des gesamten Stroms in Hessen aus Erneuerbaren Energien stammte.

Sollten hierbei mal über 100 Prozent erzeugt werden, gelte es, die überschüssige Menge zu speichern. »Das wird in Zukunft immer wichtiger«, verwies er auf die angestrebte Klimaneutralität, die in unserem Bundesland spätestens im Jahr 2045 erreicht sein soll.

Zum Ende seines Besuchs wurde Tarek Al-Wazir noch zum Mittagessen in die Schulkantine eingeladen. Die Speisen hierfür hatten Schüler eigens für ihn zubereitet. Es war eben an alles gedacht.


s. auch „Staatspreis Energie für die TKS“ (GAZ) von Thomas Brückner