Heimatzeitung vom 11.11.2021, S. 17

Podiumsgespräch mit Klaus Pradella, Prof. Dr. Julia Bernstein und Dr. Alexandra Kurth Foto: Pausch

Pädagogischer Tag an der Theo-Koch-Schule – Notwendigkeit der Auseinandersetzung mit dem Judenhass betont

Grünberg. Das Kollegium der Theo-Koch-Schule in Grünberg nutzte seinen diesjährigen Pädagogischen Tag, um sich zu verschiedenen Erscheinungsformen des Antisemitismus in unserer Gesellschaft und den Umgang mit Antisemitismus an Schulen fortzubilden.

Zur Begrüßung erinnerte Direktor Jörg Keller an Anlass und Notwendigkeit der Auseinandersetzung mit dem Judenhass. Vor zwei Jahren wurden im Rahmen einer schulischen Exkursion zur Gedenkstätte Buchenwald judenfeindliche Lieder auf der Rückfahrt abgespielt, was die gesamte Schulgemeinde erschütterte. Gleichzeitig stieß der offensive Umgang der TKS mit dem Vorfall aber auch auf eine hohe Bereitschaft zur Unterstützung, die eine Fortbildung in dieser Größenordnung und Qualität erst möglich machte.

Christopher Lipp, Erster Kreisbeigeordneter und Schuldezernent, lobte in seinem Grußwort die vorbildliche Aufarbeitung und Präventionsarbeit der TKS und betonte mit Blick auf den 9. November die Verantwortung für jüdisches Leben in Deutschland.

Im Anschluss richtete Uwe Becker, der Beauftragte des Landes Hessen für das jüdische Leben und den Kampf gegen Antisemitismus, das Wort an die Zuhörenden. Eindringlich veranschaulichte er die Wirkung antisemitischer Vorfälle in Deutschland auf die Betroffenen, insbesondere auf Kinder und Jugendliche. Er bezeichnete den Antisemitismus als „Seismograph“ des Zustandes einer Gesellschaft und verdeutlichte anhand jüngster Entwicklungen, dass wir längst über das „Nie wieder“ hinaus seien. Eine große Gefahr sei die Gewöhnung an Antisemitismus und insbesondere Schule komme eine große Bedeutung dabei zu, durch Konfrontation und die notwendige emotionale Beteiligung der Gewöhnung entgegenzuwirken. Abschließend lobte er das vorbildliche Engagement der TKS gegen Judenhass und äußerte den Wunsch, dass andere Schulen diesem Beispiel folgen mögen.

Den größten Teil des Tages beschäftigten sich alle Teilnehmenden in vorab gewählten Workshops intensiv mit verschiedenen Aspekten des Antisemitismus: mit dem Erkennen, dem Reagieren, im Zusammenhang mit deutschsprachigem Hip-Hop, mit Verschwörungsdenken oder der „Neuen Rechten“, mit Erscheinungsformen unter Musliminnen und Muslimen, im Sport, im Erkennen von Rechtsextremismus und Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit und in seiner Bezogenheit auf Israel. Die meisten Workshops wurden von Teamer*innen vom „NETZWERK für politische Bildung, Kultur und Kommunikation e. V.“ (NBKK e.V.) gestaltet, außerdem eingebunden waren die „Fachstelle [m²] miteinander mittendrin“ aus Köln, die pädagogische Fachstelle „rote linie“ aus Marburg, die „Fachstelle für Demokratie und Toleranz“ der Jugendförderung des Landkreises Gießen, die „Bildungsstätte Anne Frank“ aus Frankfurt und das „Kompetenzzentrum Rechtsextremismus“ des Landesamts für Verfassungsschutz Hessen.

Zum Abschluss des Tages fand ein Podiumsgespräch mit zwei ausgewiesenen Expertinnen auf dem Gebiet der Antisemitismusforschung zum Thema „Antisemitismus an der Schule“ statt. Dr. Alexandra Kurth, Studienrätin im Hochschuldienst an der Justus-Liebig-Universität Gießen und Vorsitzende des NBKK, und Dr. Julia Bernstein, Professorin an der Frankfurt University of Applied Sciences, die per Videokonferenz zugeschaltet war, stellten sich den Fragen von Klaus Pradella, Regionalreporter des Hessischen Rundfunks. Die Fragen bezogen sich darauf, wie jüdische Schülerinnen und Schüler in ihrem Alltag antisemitische Diskriminierung erleben, wie Antisemitismus an Schulen wirkungsvoll begegnet werden kann und welche Möglichkeiten der Prävention und Intervention in Frage kommen. Wie schon zuvor in den Workshops wurden auch hier wieder in gebündelter Form die Dringlichkeit und Notwendigkeit der Reaktion auf und der Wahrnehmung und Prävention von Antisemitismus deutlich.

Die Theo-Koch-Schule nimmt ihre Selbstverpflichtung, „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ zu sein, sehr ernst, sowohl seitens der Schulleitung und der Lehrenden als auch seitens der Schülerschaft, aus der sich immer wieder Projektgruppen mit Ideen zur konkreten Umsetzung der Selbstverpflichtung zusammenfinden. Die Erkenntnis, dass dieses Engagement an dieser und gewiss auch an jeder anderen Schule in Deutschland im 21. Jahrhundert noch immer nötig ist, sollte nicht nur aufmerken lassen, sondern aufrütteln und verantwortliches Handeln nach sich ziehen.


vgl. auch https://www.theokoch.schule/pressemitteilung-der-hessischen-staatskanzlei-zum-paedagogischen-tag/