Gießener Allgemeine Zeitung vom 22.05.2023
Bis zum Ende der Sommerferien ist es noch ein gutes Vierteljahr hin. Für die Viertklässler aber ist der September jetzt schon Thema. Denn dann beginnt für sie ein neuer Lebensabschnitt. 1186 Mädchen und Jungen wollen eine der weiterführenden Schulen im Gießener Land besuchen. Doch welche Einrichtungen sind besonders gefragt?
Hier ein Zirkusprojekt, da ein Leichtathletiktag. Noch einmal zusammen kegeln oder gemeinsam im Klassenzimmer übernachten – es sind für viele Kinder die letzten Wochen an der Grundschule, bevor sie nach den Sommerferien ein neues Kapitel ihrer persönlichen Bildungsgeschichte aufschlagen. 1186 Mädchen und Jungen möchten ab September eine der neun weiterführenden Schulen im Landkreis besuchen – 52 mehr als 2022. So viele Anmeldungen liegen laut staatlichem Schulamt vor, auch wenn sich diese Zahl aufgrund verschiedener Faktoren in den kommenden Wochen noch ändern kann, wie Schulamtsleiter Norbert Kissel erklärt.
»Gleichwohl zeigt die Zahl der angemeldeten Schülerinnen und Schüler mehr als nur eine Tendenz, sie wird den künftigen Jahrgängen 5 schon sehr nahekommen«, erklärt Kissel.
An den meisten Schulen bewegen sich die Zahlen im Bereich der Vorjahre. Lediglich die Gesamtschule Hungen und die Theo-Koch-Schule Grünberg verzeichnen einen deutlichen Anstieg der Anmeldungen. Wie bei der in der Stadt Gießen seit Jahren auf Platz eins der Beliebtheitsskala rangierenden Ostschule – Eltern von 207 Kindern und somit 21 mehr als vergangenes Jahr hatten die Einrichtung im Alten Steinbacher Weg als Erstwunsch angegeben, zu viel für die zur Verfügung stehenden 125 Plätze – handelt es sich bei den Einrichtungen in Gallus- und Schäferstadt um integrierte Gesamtschulen.
Die gestiegenen Anmeldungen hier seien offenbar ein Beleg dafür, dass »diese Schulform unter der Elternschaft derzeit eine hohe Akzeptanz genießt«, sagt Kissel.
Bei der Entscheidung für die eine oder andere Einrichtung sei die Schulform allerdings nicht das einzige Kriterium. Dazukämen Faktoren wie Profil und Schwerpunkte, Besonderheiten beziehungsweise Alleinstellungsmerkmale, Ausstattung, Erfahrungen der Eltern, ihre Empfehlungen und schließlich die Wahrnehmung einer Schule in der Öffentlichkeit. Auch regionale Besonderheiten wie die Erreichbarkeit seien wichtig.
Dass das Konzept der integrierten Gesamtschule (IGS) momentan wieder gefragter ist, hat auch Alexandra Kuret beobachtet. Gerade vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie überzeuge diese Schulform mit all ihren Möglichkeiten, so die Leiterin der Gesamtschule Hungen (GesaHu). Warum? Der Weg der Kinder sei an einer IGS nicht vorgezeichnet. »Alles ist im Fluss in die eine oder andere Richtung«, sagt Kuret.
Statt fünf Eingangsklassen wird die GesaHu in diesem Jahr sechs haben, liegt mit den gestiegenen Anmeldezahlen, die auch aber nicht nur auf einen starken Jahrgang zurückzuführen sind, sogar an der Grenze zur Siebenzügigkeit. Als weiteren Grund für die höhere Resonanz führt Kuret das breit gefächerten Angebot ihrer Schule an, etwa die »Klassengemeinschaft plus«, den Status Kulturschule oder die bestehenden Fördermöglichkeiten für Hochbegabte auf der einen und leistungsschwächere Kinder auf der anderen Seite. »Wir sind eine Schule für alle, das ist es, was den Eltern gefällt«, sagt Kuret.
In der Nachbarkommune Grünberg nennt der Leiter der Theo-Koch-Schule (TKS), Jörg Keller, ebenfalls die Angebotsvielfalt als Grund für die gestiegenen Anmeldezahlen, hebt allerdings den gebundenen Ganztag, der sich seit seiner Einführung vor fünf Jahren wachsender Beliebtheit erfreut, und den Umstand, dass die Schüler ab der neunten Klasse komplett digital arbeiten, hervor.
Aber: »Am Ende ist es die Summe des Ganzen, die den Ausschlag gibt«, ist sich Keller mit Blick auf die Entscheidung für oder gegen eine weiterführende Schule sicher. Die TKS wird ab Sommer unter seiner Führung – Keller ist seit 2012 in Grünberg Direktor – erstmals neun- statt achtzügig sein. »Wir stabilisieren uns auf sehr hohem Niveau«, sagt der Schulleiter.
Allerdings gibt es auch Einrichtungen, die Rückgänge zu verzeichnen haben (siehe Kasten), am stärksten betroffen ist die Anne-Frank-Schule in Linden. Schulamtsleiter Kissel erklärt dies damit, dass dort im Vorjahr Kinder aufgenommen wurden, die von der Weidigschule in Butzbach abgelehnt worden waren. Darüber hinaus seien jährliche Schwankungen üblich und kein Anlass zur Sorge. Generell zeige sich im Landkreis Gießen ein recht stabiles Bild bei den Anmeldezahlen, sagt der Schulamtsleiter.
»Keine Schule im Landkreis Gießen muss bezogen auf die Anmeldezahlen um ihre Existenz bangen«, betont Kissel. Alle hätten – nicht zuletzt unter den widrigen Bedingungen der Corona-Pandemie – Gesicht, Einsatz und Kreativität gezeigt und ihren Bildungs- und Erziehungsauftrag sehr ernst genommen.
»Das nehmen viele Eltern wahr«, sagt Kissel. Auch der Landkreis als Schulträger investiere viel, erweitere die Ausstattung der Einrichtungen permanent. Das schulische Angebot im Landkreis sei von Vielfalt geprägt und könne sich sehen lassen.